Von einer Woche im Outback der Ukraine bis hin zu Napoleon

Seit einer Woche bin ich nun in der Ukraine und habe dabei einmal mehr zu spüren bekommen: Am Ende kommt doch alles anders als geplant.

Zwar habe ich mein Visum wider Erwarten noch rechtzeitig erhalten, mit dem Flugzeug bin ich allerdings trotzdem nicht am 8. gestartet.
Ich hatte das Glück, dass einige der Kinder aus dem ukrainischen Heim in Deutschland zu Besuch waren und auf ihrer Heimreise noch ein Platz im Bus frei war. Was nicht unbedingt von Nachteil war, denn so blieb mir eine weitaus kompliziertere Anreise per Flugzeug und Bahn erspart. Außerdem war auch Lena, eine Dolmetscherin aus der Ukraine und während meines EFJ meine Tutorin, mit an Bord.

Die größte Überraschung bei meiner Ankunft war, dass es hier in der Ukraine tatsächlich noch den Sommer gibt, wie man ihn bei uns in Deutschland schon so lange vermisst. Seit dem ich letzte Woche Donnerstag angekommen bin, gab es hier nicht einen Tag ohne Sonnenschein. An manchen Tagen war es so heiß, dass man kaum einen Schritt draußen gehen konnte, ohne danach das Gefühl zu haben, aus der Sauna zu kommen.


Da ich im Moment sowieso mehr Urlaub habe, als dass ich hier als Freiwilliger arbeite, stört mich die Hitze nicht weiter. Wobei ich es schon ein wenig schade finde, dass ich nicht wie erwartet gleich mit den Kids loslegen kann. Die dreimonatigen Sommerferien enden hier erst Anfang September, bis dahin sind die meisten Kinder bei ihren Eltern, ein anderer Teil ist mit dem Zug irgendwo ans Meer gefahren. Außerdem sieht mich der Direktor des Heimes, der das erste Mal an einen solchen Freiwilligenprojekt Teil hat und auch noch keinen längerfristigen Besuch aus Deutschland hatte, als Gast an. Deshalb kann ich nicht damit rechnen, von ihm Aufgaben zugeteilt zu bekommen.


Auf meinem Ausreiseseminar haben die Leiterinnen uns schon darauf hingewiesen, dass die Freiwilligen in vielen Fällen unterfordert sind. So meinten sie, sei es im Zweifelsfall an uns, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.
Eigene Ideen habe ich genug im Gepäck. Nur merke ich, dass es tatsächlich viel schwieriger ist, als ich dachte, ohne die nötigen Sprachkenntnisse davon etwas umzusetzen. Also wird mir nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten bis zu Schulbeginn die ganzen Kinder hier auftauchen und wahrscheinlich auch erst dann für mich der Sprachunterricht losgeht.

 

Auch noch nicht ganz geklärt ist die Art meiner Unterkunft. Eigentlich sollte ich im sogenannten „Isolator“ ein Zimmer bekommen, das in der untersten Etage fern von den Kinderzimmern liegt. Bei meiner Ankunft sagte man mir jedoch, dass das Zimmer noch nicht fertig eingerichtet sei – was auch immer das heißt… So bin ich fürs erste in einer Art Aufenthaltsraum untergebracht. Der Raum ist groß und hell, an sich total gemütlich mit wahnsinnig vielen Kuscheltieren und sogar mit Fernseher und DVD-Player und einem kleinem Aquarium.


Die zugehörige obere Etage ist zurzeit komplett unbewohnt. So steht mir sowohl Toilette – wenn man diesen Raum, in dem eigentlich nur Löcher im Boden sind, so nennen möchte ;-) – Dusche und eine Küche zur Verfügung. Eine Küche mit Kaffeemaschine – Super!

 

Bis Sonntag hatte ich dafür einen besonderen Luxus – wahrscheinlich, um den krassen Unterschied zu meinem Zuhause noch spürbarer zu machen. Die Deutschen, die die ukrainischen Kids und mich in die Ukraine gefahren haben, blieben selber noch einige Tage auf Urlaub hier und mieteten sich für die Zeit in einem Hotel ganz in der Nähe ein. Lena war auch bei ihnen und nahm mich für diese Tage mit in ihr Bungalow. So war ich Freitag wie auch Samstag mit diesen Leuten unterwegs und meist auswärts in guten Restaurants essen.

 

Freitag fuhren wir einige Stunden bis zu einem total herrlichen Stück Erde, einem Naturschutzgebiet am zweitgrößten Fluss der Ukraine, dem Dnestr. Man kann es nicht in Bildern festhalten, wie die Sonne den ganzen Fluss, als wäre er aus Diamanten, glänzen ließ. Ebenso die beeindruckende Größe ließ sich unmöglich in meiner winzigen Kamera einfangen.

Traurig war nur, - wie Lena mir erzählte -, dass der Fluss hier einst gestaut worden war und dabei viele Dörfer unter sich begraben hatte. Die Menschen waren damals nicht freiwillig gegangen und hatten zusehen müssen, als man ihre Häuser, Felder und Friedhöfe überschwemmte. So findet man an einem Aussichtspunkt oberhalb des Stausees ein großes Kreuz aus Holz, das den vertriebenen Menschen gestiftet wurde und an deren Unglück erinnern soll.

Auf einem Spaziergang entlang des Stausees findet man ein altes, in Felsen gehauenes Kloster, in denen einst Menschen fernab von der Gesellschaft gelebt haben.
Und dann gab es da noch die drei heiligen Quellen, in deren Umgebung zahlreiche Tücher und Bänder ins Geäst und an das Geländer am Wegesrand befestigt worden waren. Lena erklärte mir, dass die Leute glaubten, man müsse etwas von sich hier zurücklassen, damit man einmal dorthin zurückkehren würde.

Nach unserem Ausflug am Dnestr fuhren wir weiter nach Kamenets Podolski, wo wir in der historischen Altstadt von einem in der Ukraine typischen Getränk, genannt „Kwas“, probierten. Mir persönlich war dieses „Brotgetränk“ viel zu süß, aber ich denke, jemanden, der gerne Vita Cola trinkt, dem würde es sicher schmecken.


Ich hoffe, ich werde während meines EFJs noch einmal die Gelegenheit haben, in diese Stadt zu fahren, denn leider blieb keine Zeit mehr, die Festung der Altstadt zu besuchen, die schon aus der Ferne meinen Blick anzog.

 

Der Samstag führte uns nach Khmelnitzki, einer „meinem“ Dorf sehr nahgelegenen Stadt. Dazu sollte man wissen, dass die Ukraine vergleichsweise nur gering besiedelt ist und es zwar große Städte gibt, dazwischen aber lange nichts kommt. Außer diesen kleinen Dörfern, wie Golowtschinzi eines ist, der Ort, an dem ich mein EFJ verbringe.


Die Städte selbst sind durch Straßen verbunden, die man besser nur mit gut gefederten Fahrzeugen passieren sollte. Also wenn ich von nahegelegen spreche, dann meine ich etwa eine ¾ Stunde Fahrtzeit durch eine Landschaft, die mich an das Outback Australiens erinnert.

 

In Khmelnitzki war unser erster Anlaufpunkt eine Wechselstube, in der wir unseren Euro in Hrywnja umtauschen ließen. Danach ging es auf den Basar, der mir zugegeben nur wenig Interesse entlockte. Das mag sowohl an meiner leeren Geldtasche gelegen haben, als auch daran, dass mir die Vielfalt an Waren, die es hier zu kaufen gibt, schon nicht mehr unbekannt ist.


Sehr erfreut war ich dagegen, als wir uns im Anschluss mit Bekannten Lenas trafen. Das waren Shana, die schon vor einigen Jahren für den deutschen Besuch im Kinderheim von Golowtschinzi gedolmetscht hatte, sowie Katharina, die an der Uni so etwas wie eine Fachleiterin für Sprachen ist.


Es tat wahnsinnig gut, wieder auf Menschen zu treffen, die einen tatsächlich verstanden, mit denen man sich ganz normal unterhalten konnte, ohne dabei verzweifelt Hände und Füße einsetzen zu müssen. Wir sind gemeinsam in ein Café gegangen und haben uns über Gott und die Welt ausgetauscht, während ich von „Napoleon“ gegessen habe, einen Kuchen vorwiegend aus Blätterteig und süßer Creme, der in Frankreich selbst völlig unbekannt ist.

Und wir haben uns nicht getrennt, ohne vorher unsere Nummern auszutauschen und ein baldiges Wiedersehen zu vereinbaren.

 

Seitdem ich mich nun am Sonntag im Kinderheim einquartiert habe, ist kaum etwas Erwähnenswertes passiert.
Ich verbringe die Zeit damit, meinen russischen Wortschatz zu erweitern. Oft gehe ich spazieren, meist mit Ira, einer 16-Jährigen aus dem Kinderheim. Gestern habe ich begonnen, ihr ein deutsches Kinderlied beizubringen, heute haben wir Karten gespielt.


Und dazwischen liegen immer wieder die Mahlzeiten, die in der Regel aus Weißbrot und verschiedenen Breivarianten oder in Milch gekochten Nudeln bestehen. Manchmal gibt es auch einen Brocken „Fleisch“ (oder Speck) dazu, heute gab es sogar ein Stück Fisch. Und nicht zu vergessen, ein süßer Tee steht auch immer auf dem Tisch.


In den ersten Tagen haben mich der Direktor Sergej und seine Frau mehrfach gefragt, ob sie mir etwas Spezielles mit Einkaufen sollten, etwa Käse oder Wurst. Ich weiß nicht, langsam frage ich mich, ob ich das Angebot nicht vielleicht hätte annehmen sollen… Na mal sehen, ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht!


Wenn ihr denn überhaupt bis hier hin durchgehalten habt, dann soll es das an der Stelle auch erst einmal gewesen sein.
Liebe Grüße euch allen!

 

P.S.: Ich gebe keine Gewähr darauf, dass ich die Städtenamen usw. richtig geschrieben habe ;-)

Kommentar schreiben

Kommentare: 0